SAP-Projekte zur Halbzeit 2025: Die Wahrheit über günstige Projektleiter, Frühindikatoren und warum der 30. Juni zum Schicksalstag wird

Heute ist der 30. Juni 2025. Halbzeit. Für Hunderte von SAP-Projekten in Deutschland der Moment der Wahrheit. Während die Sommerpause naht und die ersten Urlaubsanträge eingereicht werden, sollten Geschäftsführer und IT-Leiter eine simple Frage stellen:

„Wo stehen wir eigentlich?“ Ein Weckruf an CIOs, Projektleiter und Geschäftsführung – zwischen Selbsttäuschung, Schweigen und Scheitern

Die Wahrheit: Viele Unternehmen haben sich zu Jahresbeginn günstige Projektleiter über Broker eingekauft, in der Hoffnung, dass Preis und Titel allein ein Projekt führen können. Gleichzeitig wurde mit großen Dienstleistern verhandelt – doch wer fragt jetzt, ob das Liefermodell wirklich greift? Ob Meilensteine noch leben? Ob der Scope kriecht? Ob das Budget brennt?

Doch die meisten werden es nicht tun. Warum? Weil sie bereits ahnen, dass die Antwort wehtut. Niemand will Spielverderber sein. Man ist doch erst im Januar „mit Vollgas gestartet“. Jetzt, sechs Monate später, fehlt der Mut zur Bestandsaufnahme. Es gibt auch kaum echte Projekt-Dashboards. Die Geschäftsführung liest Monatsberichte, in denen alles „gelb-grün“ schimmert. Die Wahrheit liegt in den Details: Übergaben scheitern, Testfälle sind unvollständig, Fachbereiche entkoppelt.


7 Projektfragen zum 30. Juni, die wehtun – aber retten könnten

  1. Wo stehen wir im Scope – gemessen an der ursprünglichen Business-Zielsetzung?
  2. Welche kritischen Pfade sind realistisch noch zu halten – und welche sind längst Fiktion?
  3. Wie viele CRs (Change Requests) haben den Plan unterspült – und mit welchem Preis?
  4. Wer entscheidet aktuell – Projektleitung oder Dienstleister?
  5. Welche Fachbereiche sind noch aktiv beteiligt – und wo herrscht „Meeting-Müdigkeit“?
  6. Was kostet das Projekt wirklich – inklusive aller versteckten Aufwände?
  7. Was würde ein neutraler Krisenreview jetzt ergeben?

Der frühe Projekt-Tod kommt in leisen Anzeichen

Laut unserer Analyse der häufigsten Krisenursachen in SAP-Großprojekten zeigen sich typische Frühindikatoren. Hier drei, die jetzt am 30. Juni besonders ernst genommen werden sollten:

Artikelinhalte
(Quelle: Lefkes Krisenindikator-Modell, 2025

Die Frühindikatoren sprechen eine klare Sprache

Während in den Vorstandsetagen noch Optimismus herrscht, zeigen sich bereits die ersten Warnzeichen:

📊 Die harten Fakten zur Halbzeit (Einschätzung aus unserer Praxis)

  • 67% der SAP-Projekte liegen bereits über Budget
  • 74% haben ihren ursprünglichen Zeitplan überschritten
  • 43% mussten den Scope bereits reduzieren
  • 89% haben mehr als 5 offene Grundsatzentscheidungen

Welche Frühindikatoren deuten auf eine mögliche Krise im SAP-Projekt zum Stichtag 30.06.25 hin

Zum Halbjahr sollten Auftraggeber und Steuerungsgremien gezielt auf typische Frühindikatoren achten, die auf eine drohende Projektkrise im SAP-Projekt hinweisen. Aus dem Leitfaden von Woehe/Kurz lassen sich folgende zentrale Warnsignale ableiten[1]:

Fazit: Werden mehrere dieser Frühindikatoren zum Stichtag 30.06.25 sichtbar, ist höchste Aufmerksamkeit geboten. Ein proaktives Krisenmanagement und eine ehrliche Bestandsaufnahme sind dann unerlässlich, um das SAP-Projekt wieder in die Spur zu bringen[1].

[1] IT-Krisen.pdf, Woehe/Kurz, Krisen in Digitalprojekten erfolgreich managen

1. Zeitliche Verzögerungen und Terminverschiebungen

  • Meilensteine werden nicht wie geplant erreicht.
  • Go-Live-Termine geraten ins Wanken oder werden bereits verschoben.
  • Aufgabenpakete werden wiederholt nach hinten geschoben („Verschleppungseffekt“).

2. Scope- und Anforderungsmanagement außer Kontrolle

  • Ständiger Zuwachs an Anforderungen („Scope Creep“), ohne dass Ressourcen, Zeit oder Budget angepasst werden.
  • Unklare oder sich ständig ändernde Prioritäten im Backlog.

3. Budgetüberschreitungen und Schattenbudgets

  • Budget wird schneller verbraucht als geplant.
  • Es werden zusätzliche Mittel benötigt, um externe Spezialisten oder Change Requests zu finanzieren.

4. Ampelberichte ohne Substanz

  • Statusberichte wechseln von Grün auf Gelb oder Rot, ohne dass konkrete Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.
  • Die Ampelfarben werden schöngeredet oder verlieren ihre Aussagekraft.

5. Personalfluktuation und Kompetenzprobleme

  • Häufige Wechsel in der Projektleitung oder im Kernteam.
  • Externe Projektleiter oder wichtige Fachkräfte verlassen das Projekt.
  • Know-how-Träger sind überlastet oder nicht ausreichend verfügbar.

6. Kommunikations- und Entscheidungsprobleme

  • Wichtige Entscheidungen werden vertagt oder „ausgesessen“.
  • Die Kommunikation wird defensiv, Konflikte schwelen unter der Oberfläche.
  • Stakeholder verlieren das Interesse oder werden „unsichtbar“.

7. Qualitätseinbußen und verschobene Tests

  • Testphasen werden verkürzt, verschoben oder gar ausgelassen.
  • Qualitätsgates werden nicht erreicht oder nur formal abgenommen.

8. Implementierungspartner: Dienstleister oder Black Box?

  • Der Implementierungspartner oder Dienstleister liefert nur noch „nach Vertrag“, nicht mehr proaktiv.
  • Es gibt keine echten Fortschritte oder Innovationen mehr.
  • Kommunikation: Werden Probleme offen adressiert oder gibt es „Schönwetter-Reports“?
  • Lieferqualität: Sind die vereinbarten Meilensteine erreicht, oder werden Abnahmen verzögert?
  • Zusammenarbeit: Gibt es echtes Teamwork oder Silodenken zwischen Kunde und Dienstleister?

9. Fehlende Transparenz und Kontrolle

  • Projektfortschritt ist nicht mehr klar messbar.
  • Es fehlt ein belastbares Reporting oder die Zahlen sind widersprüchlich.

Der Teufelskreis: Warum niemand die Notbremse zieht

Die psychologischen Fallen:

  1. Sunk Cost Fallacy: „Wir haben schon so viel investiert…“
  2. Optimism Bias: „Im zweiten Halbjahr wird alles besser…“
  3. Confirmation Bias: „Die Berichte sehen doch gut aus…“
  4. Political Correctness: „Wir können doch nicht zugeben, dass…“

Die organisationalen Blockaden:

  • Einkauf: Hat den „günstigen“ Deal durchgesetzt und will nicht als Verursacher dastehen
  • IT-Leitung: Befürchtet Gesichtsverlust beim Vorstand
  • Business: Versteht die technischen Zusammenhänge nicht
  • Geschäftsführung: Verlässt sich auf geschönte Reports

Die Rettung: Was jetzt noch zu retten ist

Die bittere Wahrheit: Wer heute nicht prüft, zahlt morgen dreifach.

Viele Unternehmen werden im Q4 erkennen, dass sie kein Zeitproblem, sondern ein Steuerungsproblem hatten. Doch dann ist das Geld weg, das Vertrauen erodiert, der Druck maximal – und der Ruf der internen IT ruiniertWas jetzt zu tun ist – Der Krisenmanager empfiehlt: Klarheit. Reflexion. Notfallschnitt.

1. Ehrliche, faktenbasierte Bestandsaufnahme: Keine Schönfärberei, sondern klare Zahlen, Daten, Fakten. Ein externer Projekt-Review (72h) bringt oft mehr Wahrheit als 40 Projekt-Meetings

2. Frühwarnsystem etablieren: Ein Frühwarnsystem, basierend auf wenigen, aber scharfen Indikatoren, schützt vor dem Kollaps im Herbst.

3. Qualität der Führung und Zusammenarbeit bewerten: Sind die richtigen Leute an Bord – und arbeiten sie wirklich zusammen? Ein Leistungsvergleich der eingesetzten Freelancer spart Geld UND Nerven.

4. Implementierungspartner auf den Prüfstand stellen: Liefert der Partner noch Mehrwert oder verwaltet er nur noch das Projekt?

5. Prognose und Szenarienplanung: Was passiert, wenn die Trends sich fortsetzen? Welche Alternativen gibt es?

Sofortmaßnahmen für die Sommerpause.

1. Brutale Bestandsaufnahme (Juli)

  • Forensische Projektanalyse durch externe Experten
  • Ungeschönte Bewertung aller Liefergegenstände
  • Realistische Prognose für Restlaufzeit und -budget

2. Governance-Reform (Juli)

  • Wöchentliche C-Level-Reviews etablieren
  • Klare Entscheidungswege definieren
  • Quality Gates mit Go/No-Go-Entscheidungen

3. Personelle Sofortmaßnahmen (August)

  • Erfahrenen Krisenmanager als Projektleiter einsetzen
  • A-Team vom Dienstleister einfordern (notfalls Vertragsänderung)
  • 100%-Zuordnung für Kernteam durchsetzen

4. Scope-Neukalibrierung (August)

  • Grundsatzentscheidungen innerhalb von 14 Tagen treffen
  • Minimum Viable Product (MVP) definieren
  • Alles andere in Phase 2 verschieben

Moment der Wahrheit: Morgen ist heute

Morgen, am 1. Juli 2025, beginnt das zweite Projekthalbjahr. Für viele SAP-Projekte die letzte Chance auf Rettung. Die Frage ist nicht mehr „Können wir es schaffen?“, sondern „Wollen wir es schaffen?“

Die drei Optionen:

  1. Weitermachen wie bisher → 85% Wahrscheinlichkeit für Totalausfall
  2. Kleine Korrekturen → 60% Wahrscheinlichkeit für massiven Budgetoverrun
  3. Radikale Kurskorrektur → 75% Chance auf kontrollierten Projekterfolg

Die Entscheidung liegt bei Ihnen.

Fazit: Halbzeit ist kein Grund zum Ausruhen – sondern zur Kurskorrektur

Aber entscheiden Sie schnell. Denn während Sie zögern, tickt die Uhr. Und mit jeder verstrichenen Woche wird die Rettung teurer – und unwahrscheinlicher. Wer jetzt nicht hinschaut, riskiert, dass aus kleinen Problemen große Krisen werden. SAP-Projekte brauchen zur Halbzeit eine ehrliche Bewertung – mit Mut zur Wahrheit, Bereitschaft zur Kurskorrektur und dem Willen, nicht nur auf den Kalender, sondern auf die echten Frühindikatoren zu achten.

Die Sommerpause ist die letzte Gelegenheit für einen Neustart. Nutzen Sie sie.


Christoph Lefkes, Daniel Goldberg und Matthias Berth sind spezialisierte SAP-Krisenmanager und haben in 22 Jahren über 55 komplexe SAP-Projekte gerettet. Die Unternehmensberatung (www.lefkes-gmbh.de) greift ein, wenn Standard-Projektmanagement versagt.

Kontakt für Kriseninterventionen: 📧 kontakt@lefkes-gmbh.de

📞 Garantierte Reaktionszeit: 24 Stunden 🏃Vor-Ort-Einsatz: innerhalb 48 Stunden

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